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Improving survival abilities

Bericht über den Workshop: “Fighting roots of the Feldenkrais Method” mit Moti Nativ

Nachdem schon so viel über die Kampfkunst Wurzeln der FM gesagt wurde, aber fast nie eine praktische Beziehung hergestellt wurde, war ich sehr gespannt, was Moti Nativ uns im Frühling 2008 in einem Fortbildungsseminar zu sagen hätte. Moti ist seines Zeichens hochgraduierter Lehrer eines Kampfkunstsystems namens Budo (Weg des Kriegers) Taijutsu (Körpertechnik). Ich unterrichte dieses System ebenfalls seit langer Zeit und es brachte mich seinerzeit dazu, die Feldenkrais Ausbildung zu machen. Die Feldenkrais-Methode ist heute ein fester Bestandteil meines Budo-Trainings.

Moti bestritt das Wochenende mit einer guten Mischung aus dem Vortragen der Ergebnisse seiner Nachforschungen aus Moshés früher Zeit in Palästina und ATMs, die direkt zu umsetzbaren, dem Überleben dienenden Bewegungen führten.

Im Vortrag wurde zu unserem Erstaunen immer klarer, dass Moshé in seinen jungen Jahren ein einfach zu trainierendes Selbstverteidigungssystem kreierte, die den Notwendigkeiten der jüdischen Siedler in Palästina nachkam. Wie in der Feldenkrais-Methode orientierte sich Moshé auch damals schon daran, wie wir als Mensch natürlicherweise reagieren. An dieser Stelle wurde noch einmal klar, dass Moshé ATMs nicht erfand, sondern als „natürliche Bewegungen“ entdeckte und anschließend systematisierte! Moshé legte dieses Selbstverteidigungssystem schriftlich nieder und veröffentlichte es 1927. Dieses Buch wird zur Zeit übersetzt und wohl demnächst veröffentlicht. Wir dürfen gespannt sein, was da alles geschrieben steht, denn Moti wies immer wieder darauf hin, wie klar bereits in diesem Buch die Prinzipien der Feldenkrais-Methode niedergelegt sind. Die kleine Preview, die wir hier bekamen, klärte auch so manch andere Geschichte wie nebenbei. Da ist zum Beispiel der Mythos von Moshés Knieverletzung:
Wie jeder weiß, ruinierte sich Moshé sein Knie beim Fußball spielen. Moti machte klar, dass Moshé offensichtlich eine Wurftechnik aus seinem Selbstverteidigungssystem dazu verwendete um als Verteidigungsspieler Attacken zu stoppen. Er ließ die Angreifer scheinbar über sein ausgestrecktes Knie fallen. Offenbar fiel ihm hier der eine oder andere Gegenspieler direkt auf sein gestrecktes Knie, statt, wie geplant dahinter und sorgte damit für so manche Knieläsion. Hier kann Moti mit seinen weiter vorangetriebenen Forschungen sicher noch so manche dunkle Ecke der Entstehungsgeschichte der Feldenkrais-Methode erhellen.

Dann legten wir uns auf die Matten und Moti gab uns ein paar „knackige“ ATMs, um gleich im Anschluss die geradlinige Umsetzung in eine Bewegung der Kampfkunst zu zeigen. Die Einfachheit war bestechend. So war es kein Wunder, dass wir viel Freude hatten, was man unschwer auf diesen Photos sehen kann.

Dann war da die Frage von Moshé 1933 beim Treffen mit Jigoro Kano (1860-1938, dem Begründer von Judo): „Was ist Judo?“ Kanos Antwort war: "the efficient use of the mind over the body" Moshé entschied sich ab diesem Zeitpunkt dafür, Judo zu betreiben. Oft wird gesagt, daß Moshé Feldenkrais der erste westliche Schwarzgurt im Judo gewesen sei. Da gibt es berechtigte Zweifel. Münchens Judoverein wurde z.B. 1906 gegründet. Daß Moshé aber eine herausragende Figur des Judos im Westen war, bestätigen die Tiefe, mit der er Judo verstanden hat - er war "a real master of Judo". Davon zeugen die Tatsachen, dass z.B. seine Bücher über Judo noch heute in Internetforen zitiert werden oder dass es eine Dokumentation im Fernsehen gab über den französischen Judoclub, wo er zu sehen ist und er auch namentlich erwähnt wird. Außerdem geht aus Dokumenten hervor, daß Moshé auf einer Großveranstaltung vom Kodokan (dem offiziellen japanischen Judo-Institut) eingesetzt wurde (obwohl genügend japanische Lehrer dagewesen wären), bestimmte Techniken zu unterrichten, da er der Beste dafür war (Zitat von Koizumi 1885-1965). Ebendieser Koizumi, der Judo in Großbritannien einführte, hat große Stücke auf Moshé gehalten wegen seiner wissenschaftlichen Herangehensweise an Judo und zog ihn dazu heran, Konzepte wie zum Beispiel Ki auf „westliche“ Art und Weise zu erklären und zu demonstrieren.

Moshé hat dann später einige wichtige Dinge Judo betreffend herausgestellt:

  • Die Unabhängigkeit vom Erbe, vom genetischen Potenzial, also von dem, was wir in die Wiege gelegt bekommen.
  • die Beziehung zwischen Schwerkraft, Körper, Knochen, Muskeln, Nerven, Balance, Selbstsicherheit, Bewusstheit , Unbewusstheit und Unterbewusstsein.
  • wann, was und wie die Bewegung gemacht wird.

Klingt bekannt, nicht wahr?!

Und wieder gab es eine ATM, diesmal eine, die uns zum Rollen brachte. Moti setzte es gleich in räumlichen Bezug: Mehr als 20 Feldenkrais-Kollegen flogen und fielen durch den Raum. Es war sehr schön, die Dynamik, das Lächeln auf den Gesichtern, die Leichtigkeit und den Wind, der durch das Tun entstand zu sehen und zu spüren.

Noch einmal kommt die Frage auf: "Was beinhaltet Judo?" Moshé antwortet darauf in einem seiner Bücher so:

  • Barfuß
  • Die Kunst des Fallens
  • Dynamische Stabilität
  • Ausrichtung im Raum
  • Koordinierte Kontrolle in der richtigen Tat
  • Einheit von Körper und Geist. (Es gibt keine Emotion ohne Körper, keinen Körper ohne Nervensystem und keinen Geist ohne Gehirn)

Wir stellten fest, daß wir, die Feldenkrais Practicioner häufig die Umgebung, die äußeren Lebensbedingungen (environment) vergessen. Auch wurde uns noch einmal viel klarer, dass es in der Feldenkrais-Methode um Gewahrsein seiner Selbst, des Raums und eines oder mehrerer Anderer, kurz der Präsenz geht, wie wir es aus den Kampfkünsten kennen. Schon im Vorwort des ersten Buches steht (um zu verstehen, welch außergewöhnlicher Mensch Moshé war): "Remember you will be the stronger one. Don´t harm unneccessarily even the one who hates you. Not for the sake of war I took the trouble writing this book, but for the sake of peace"

Mir hat dieser Workshop die ursprüngliche Frische, die unserer Arbeit inne liegt wiedergebracht und mir wieder einmal gezeigt, wie wir unsere eigene Stärke besser spüren können und sich damit unser Selbstbild bereichert. Alles in allem ist die Auseinandersetzung mit den frühen Gedanken und Arbeiten von Moshé deswegen so lohnend, weil dieser Blickwinkel zu Klarheit und Einfachheit führt.

Motis sagte am Schluß des Seminars: "An Art that grew through survival will survive forever" und geht es in unserer Arbeit nicht immer und zwar ganz allgemein ums Überleben?

LITERATUR:

  • M.Feldenkrais: Judo - The Art Of Defence And Attack, Frederick Warne & Co LTD., London and New York, 1944
  • M.Feldenkrais: Practical Unarmed Combat, London and New York, 1942, Reprint 1994
  • Miyamoto Musashi: Fünf Ringe, Japan 1645
  • Tsunetomo Yamamoto: Hagakure – Der Weg des Samurai, Japan 1716